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Vorgespräche Mastektomie

DREI VORGESPRÄCHE, EINE MASTEKTOMIE

CN: Gatekeeping, Grenzüberschreitungen (ungefragt angefasst werden) im medizinischen Kontext

Ich war als Selbstzahler*in in drei Kliniken für Vorgespräche zur Mastektomie. Alle drei führen die Operation für nicht-binäre Personen durch. Hier gebe ich einen Einblick, wie die Vorgespräche verliefen und erkläre, warum ich mich letztlich für welche Klinik entschieden habe.

KlinikKosten VorgesprächDauer KrankenhausaufenthaltKosten(voranschlag)VorteileWartezeit OP-TerminArztZimmer
Meoclinic Berlin13,40€4 Nächte9.500€Nähe3 Wochen (sofortige Zahlung)KruegerEinzel
Medienhafen Düsseldorf50€1 Nachtca. 5.500€ Online-Sprechstunden, Preis2 Wochen bis ~4 Monate ScholzEinzel- oder Doppel
Sana Krankenhaus Düsseldorf0€1 Nachtca. 6.200€höchstes Sicherheitsgefühl2-6 Monate WolterDoppel
Übersicht zu Eigenschaften und Kriterien der Kliniken

Warum diese drei Kliniken?

Ich wusste von allen drei Kliniken, dass sie nicht-binäre Menschen operieren und in ihrer Identität ernst nehmen. Außerdem war mir auch von allen Kliniken bekannt, dass sie bereit sind, auf die Transplantation der Nippel zu verzichten. Da ich auf keinen Fall Nippel haben möchte, war das für mich also ein entscheidendes Kriterium. Alle Kliniken haben veganes Essen für Patient*innen und die Fäden sind überall selbst auflösend.

Aus den Düsseldorfer Kliniken hatte ich schon viel Gutes gehört. Die Klinik in Berlin habe ich mir vor allem angeschaut, um sicherzugehen, dass es nicht doch eine Option ist, für die OP in der Heimat zu bleiben. Spoiler: Ist es für mich nicht.

Drei Vorgespräche – drei Erfahrungen

Vorgespräche – Part 1: Medienhafen in Düsseldorf

Im Medienhafen in Düsseldorf gibt es drei oder vier Ärzt*innen. Eigentlich wollte ich gern zu Frau Dr. Pluto, weil ich Frauen oft einfach lieber mag und mit Ärzten schon ziemlich viele schlechte Erfahrungen gemacht habe. Außerdem wusste ich, dass eine nicht-binäre Person bei ihr war und dort super zufrieden war. Leider konnte ich bei ihr dann aber kein Erstgespräch vereinbaren. Also habe ich die Profile der drei Ärzte angeschaut und mich dann relativ random für Dr. Scholz entschieden. Vorgespräche können dort relativ kurzfristig online gebucht und durchgeführt werden. Dr. Scholz war sehr freundlich, hat mir viel Zeit für Fragen gelassen, mich ausführlich informiert und mir insgesamt ein sehr gutes Gefühl vermittelt.

Vorgespräche – Part 2: Meoclinic in Berlin

Vorgeplänkel und Gatekeeping

Auch von der Meoclinic hatte ich bereits Gutes gehört. So ganz sympathisch wirkte der Online Auftritt auf mich nicht, aber ich hatte das Gefühl, die Option in Berlin zu bleiben, zumindest ernsthaft in Betracht ziehen zu müssen. Es gab bereits bei der Terminvereinbarung ein paar Komplikationen. Unter der auf der Website angegebenen Telefonnummer wurde mir mitgeteilt, dass ich ganz falsch wäre und bekam eine Mailadresse, unter der ich mich melden sollte. Dort stellte ich meine Fragen (zu Voraussetzungen, Kosten des Eingriffs, Möglichkeit der Durchführung ohne Nippel), die mir jedoch größtenteils nicht beantwortet wurden. Lediglich die Voraussetzungen ohne psychologisches Gutachten wurde mir mitgeteilt: eine „Selbstindikation“.

„Wenn Sie keine Gutachten vorliegen haben, dann müssten wir Sie bitten, eine schriftliche Zusammenfassung zu Ihrem Wunsch zur Mastektomie abzufassen, die Ihre kompletten Personendaten, Wohnadresse und Mobilnummer enthält zusammen mit der Begründung, warum Sie die Mastektomie durchführen lassen wollen.

Es muss enthalten sein, dass Sie diese Operation der Mastektomie aus freiem Willen durchführen lassen wollen,  warum Sie Ihre Identität  als non binär bezeichnen und warum Sie die Mastektomie durchführen lassen möchten sowie dass Ihnen bewusst ist, dass Sie damit irreversibel die Möglichkeit ausschliessen, Kinder zu stillen.“

Auszug der E-Mail, der die „Selbstindikation“ als Voraussetzung beschreibt

Müssen cis Frauen bei einer Brustvergrößerung oder -verkleinerung auch erklären, warum sie ihre Identität als weiblich bezeichnen? Ich glaube nicht. Sogar als Selbstzahler*in noch mit Gatekeeping vom Feinsten konfrontiert. Ich vereinbarte trotzdem einen Termin. Dass das Gespräch Geld kosten würde, wurde mir vorher nicht mitgeteilt. Die Person an der Anmeldung entschuldigte sich dafür.

Das eigentliche Vorgespräch

Im Gespräch mit dem Arzt fühlte ich mich äußerst unwohl. Er trug keine Maske. Ich überlegte, ihn darauf anzusprechen, traute mich aber nicht. Ich spürte in dem Gespräch ein starkes Machtgefälle, in dem ich definitiv sehr weit unten war. Meine Sorgen und Ängste schien er kaum ernst zu nehmen. Beispielsweise hatte Dr. Scholz mir empfohlen, eine Sonographie (Ultraschall) der Brust durchführen zu lassen. Denn es kann passieren, dass Brustdrüsengewebe bei der Mastektomie zurückbleibt, weshalb (Anzeichen von) Brustkrebs vorher bekannt sein sollten. Herr Krueger erklärte das für Unsinn. Auch meine Frage nach möglichen Komplikationen tat er ab mit der Behauptung, dass diese nicht vorkommen würden. Er meinte, dass das für ihn ja auch ungünstig wäre, da ich in Berlin wohne und deshalb im Falle von Komplikationen direkt bei ihm auf der Matte stehen würde. Auch mein Zigarettenkonsum schien Dr. Krueger beinahe egal zu sein. Obwohl er ihn auch als schlecht für die Heilung beschrieb, meinte er nur, ich solle halt versuchen, ihn zu reduzieren.

Ich habe mich also überhaupt nicht gesehen oder ernst genommen gefühlt. Immerhin entschuldigte er sich dafür, dass mir per Mail nicht weitergeholfen wurde und gab mir seine Mailadresse.

Grenzüberschreitungen bei der Untersuchung

Anscheinend hatte er im Gespräch auch überhaupt nicht verstanden, dass ich keine Nippel haben möchte, sodass er mir während der Untersuchung erklären wollte, welche Optionen es für die Mastektomie (mit Nippeln) gäbe. Um mir das zu präsentieren, fasste er mich, ohne zu fragen oder vorzuwarnen an. Natürlich berührte er dabei die Haut direkt um meine Nippel herum, was für mich die absolut unangenehmste Region (zusammen mit den Nippeln) für Berührungen ist. Als ich dann zusammenzuckte und instinktiv meine Arme vor die Brust hielt, wirkte er genervt und fragte mich, ob er mich nicht berühren durfte. Ich bat ihn darum, mich vorher zu fragen oder wenigstens bescheid zu sagen.

Danach fragte er zwar jedes Mal, klang aber genervt von dieser „Formalie“. Um mir dann zu präsentieren, welche Hautstellen am Ende zusammengenäht werden würden, drückte er meinte Brust schmerzhaft doll zusammen. Da er ja aber vorher gefragt hatte und ich zugestimmt hatte, traute ich mich nicht mehr, etwas zu sagen. Und das obwohl mir natürlich bewusst ist, dass Konsens jederzeit wieder entzogen werden kann (reversible; Konsens nach FRIES Prinzip). Dieser war aber halt auch nicht so freely given. Somit war es nicht mal der lächerlich hohe Kostenvoranschlag, der mich von der Operation hier abhielt.

Untersuchung und 2. Vorgespräch im Medienhafen

Da ich im August sowieso für mein Erstgespräch im Sana Krankenhaus in Düsseldorf war, konnte ich dann auch am gleichen Tag zu einem weiteren Gespräch und zur Untersuchung in der privaten Ambulanz vorbeischauen. Es ist super schick dort, das gesamte Personal ist äußert freundlich und als ich eilig die Ambulanz für meinen nächsten Termin im Sana Krankenhaus verließ, war ich bereits sehr überzeugt von der plastischen Chirurgie im Medienhafen.

Vorgespräche – Part 3: Sana Krankenhaus

Spätestens als ich dann das Krankenhaus betrat und erstmal völlig gehetzt und lost nach der richtigen Station suchte, schien meine Entscheidung gefallen zu sein. Warum Krankenhausfeeling, wenn auch Privatklinikfeeling zur Option steht?

Als ich endlich die Anmeldung gefunden hatte, musste ich einige Unterlagen ausfüllen und wartete danach auch gar nicht mehr lang auf meinen Termin. Im Wartezimmer begegnete ich einer anderen Person, die ich als trans einordnen würde. Dr. Wolter wirkte auf mich sehr am Boden geblieben, irgendwie lässig. Unsere Interaktion fühlte sich danach an als würde sie auf Augenhöhe stattfinden. Auch wenn ich bei Dr. Scholz absolut nicht das Gefühl hatte von oben herab behandelt zu werden, war die Stimmung hier lockerer. Dr. Wolter machte mir sogar ein Kompliment für mein Outfit! Nach dem Gespräch war ich dann gar nicht mehr so sicher mit meiner Entscheidung.

Ich hatte bereits zur Terminvereinbarung im Februar mit Frau Zanders, der Koordinatorin des Transgenderzentrums, telefoniert. Sie war super freundlich und ich fühlte mich direkt wohl. Da Frau Zanders allein für ziemlich viele Aufgaben in dem Zentrum verantwortlich ist, dauerte es beinahe zwei Wochen bis ich meinen Kostenvoranschlag hatte. Ich wartete ungeduldig; im Medienhafen ging das alles schneller und unkomplizierter.

Die Entscheidung

Ich muss wohl nicht erwähnen, dass Berlin keine Option war und die Entscheidung nur zwischen den beiden Kliniken in Düsseldorf fiel. Letztlich habe ich mich für *Trommelwirbel* das Sana Krankenhaus entschieden. Ich bin mir sicher, dass beide Düsseldorfer Kliniken eine sehr gute Entscheidung gewesen wären und kann beide mit meinem jetzigen Wissensstand nur empfehlen.

Hier folgt noch eine Erläuterung meiner Entscheidung.

meine persönlichen Pluspunkte des Sana Krankenhauses

Punkte, die meiner Ängstlichkeit Einhalt gebieten
  • Im Medienhafen kommen die Drainagen nach einer Nacht raus. Im Sana werde ich damit in meine Unterkunft geschickt. Auch wenn Drainagen echt unangenehm sind, erscheint es mir sicherer, sie länger drin zu behalten.
  • Dr. Wolter scheint bei allem auf Nummer sicher zu gehen und hat noch einige Kontrollen angeordnet (Vitamin K wegen veganer Lebensweise, Gerinnungsambulanz wegen thromboembolischer Ereignisse in der Familienanamnese). Dr. Scholz hatte die Sonographie angeordnet und ebenfalls eine Blutentnahme, also auch dort wird absolut auf jegliche Risiken geachtet. Trotzdem erscheint es mir im Sana Klinikum ein Ticken mehr zu sein und das ist für mich als sehr ängstliche Person rund um medizinische Sachen sehr wichtig.
  • Strengere Corona Regeln: Ich muss vorher einen PCR Test machen (im Medienhafen nur einen Schnelltest) und auch die Zugangsbeschränkungen sind strenger. Vielleicht ist das Risiko im Endeffekt ungefähr das gleiche, weil im Krankenhaus natürlich viel mehr Leute unterwegs sind. Ich fühle mich mit den strengeren Regeln allerdings sicherer.
  • Als ängstliche Person denke ich natürlich auch an Komplikationen und Notfälle. Zu wissen, dass im Krankenhaus für alle denkbaren Komplikationen ein*e Expert*in da ist, hilft mir.
Vibes
  • Im Medienhafen hat eine Person von der Anmeldung in einem separaten Raum Fotos von meinem Oberkörper mit Spiegelreflexkamera gemacht. Es gab sogar eine extra Vorrichtung auf dem Boden, an der ich meine Position ausrichten sollte. Dr. Wolter hat alles selbst gemacht: Fotos mit kleiner Digicam direkt im Besprechungszimmer, die Ausmessungen meiner Brust selbst aufgeschrieben (bei Dr. Scholz hat das die Person gemacht, die mit im Raum saß). Keine der Versionen ist per se besser, aber selber machen passt mehr zu mir.
  • Mit Dr. Wolter hat der Vibe einfach noch ein bisschen mehr gestimmt, beide Ärzte sind aber super nett.
  • Andere trans Personen im Wartezimmer zu sehen, hat mich glücklich gemacht.
  • Die Fotos von Ergebnissen, die Dr. Wolter mir gezeigt hat, haben stärker dem entsprochen wie mein Ergebnis nachher aussehen soll (ganz gerade große Schnitte; das heißt natürlich nicht, dass Dr. Scholz das noch nicht in der Form gemacht hat, es war einfach nur nicht bei seinen Ergebnis-Fotos dabei)

Es gibt aber auch Punkte, die eher für den Medienhafen sprechen und mich meine Entscheidung noch ein wenig hinterfragen lassen.

Meine persönlichen Pluspunkte des Medienhafens

  • der wichtigste Punkt ist der Preis: die Differenz beträgt immerhin 700€
  • mehr und einfachere online Nachsorge
  • alles geht schneller
  • Klinik vom Medienhafen ist deutlich zentraler; Sana Krankenhaus ganz im Osten von Düsseldorf, dafür im Grünen – beides hat Vor- und Nachteile
  • mutmaßlich besseres Essen
  • keine Krankenhauskeime
  • im Medienhafen gehen alle Mastektomie-Patient*innen normalerweise nach einer Nacht; im Sana merke ich dann nochmal stärker, dass ich Selbstzahler*in bin und deshalb nicht länger bleiben kann (evtl. deshalb auch FOMO, weil andere länger nette Kontakte im KH-Zimmer knüpfen können)

Ich hoffe, dass dir meine Erfahrungsberichte und die Auflistungen geholfen haben. Vielleicht habe ich Dinge erwähnt, an die du noch gar nicht gedacht hast? Oder dir fallen noch Sachen ein, die ich nicht erwähnt habe? Wenn du Anregungen oder Fragen hast, schreib doch einen Kommentar. Ich freue mich in dieser aufregenden, aber auch unsicheren Zeit über Tipps und versuche selbst nach meinen Möglichkeiten mit Infos weiterzuhelfen.

Und falls du grad nicht mal eben 6.000 – 10.000€ parat hast, lies dir doch mal diesen Beitrag durch. Mindestens das Sana Klinikum übernimmt auch Kassenpatient*innen.

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