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Let’s talk about Labels Babes

ENBY BABES SPRECHEN ÜBER LABELS

CN: Queer- und Transfeindlichkeit, Erwähnung von TERFs und SWERFs

Labels: ein umstrittenes Thema in der queeren Community. Wozu sind sie nützlich und welche Gefahren bergen sie? Wollen und brauchen wir immer mehr Labels, um uns zu beschreiben oder sorgt das nur für Missverständnisse? Ein Gespräch der Enby Babes.

Avatar Süßmaus

Süßmaus, 25

Nicht-binär, queer, trans*, weiß

Jelly, 27

Nicht-binär, ace, queer, weiß

Süßmaus: Ich denke in letzter Zeit viel über die Labels „ace“ und „neurodivergent“ nach und bin in dieser Hinsicht irgendwie questioning. Ich hab das Gefühl, dass wenn ich mir diese Begriffe zueignen mache, das irgendwie falsch ist, als würden sie mir nicht zustehen. Grad auch weil ich in Hinblick auf diese Eigenschaften keine Diskriminierungserfahrung mache. So ging es mir lange Zeit auch mit dem „trans“ Begriff. Weil ich verhältnismäßig wenig Transfeindlichkeit erfahren habe und auch weiterhin zum Glück eher davon verschont bleibe. Andererseits habe ich das Gefühl, dass es mich auch empowern kann, mir diese Begriffe dann anzueignen, mir das selbst zuzugestehen. Das fühlt sich an, als würde ich mich selbst anerkennen.

Jelly: Ich kann das sehr gut nachvollziehen. Ich habe auch sehr lange mit dem Label „ace“ gestruggelt, weil ich immer dachte: hey ich bin aber auch traumatisiert, woher soll ich wissen ob ich wirklich ace bin oder „nur“ traumatisiert. Dann habe ich irgendwo ein Gespräch der Ace Community mitbekommen im Internet, und da wurde darüber gesprochen, wer sich Labels aneignen darf und wer nicht und der Konsens war: Wenn das Label deine Erfahrungen beschreibt, darfst du es verwenden. Es ist okay wenn sich das irgendwann ändert, es ist eine Gegenwartsbeschreibung, um dich besser mit Menschen verbünden zu können, die ähnliche Erfahrungen machen. Und das war so enorm hilfreich für mich. Da wurde auch explizit darauf hingewiesen, dass es egal ist was die „Ursache“ für bestimmte Dinge ist. Labels sollen beschreiben, nicht werten oder ausschließen. Das fand ich richtig gut, und stimme dem auch zu.

Ich finde auch den Punkt mit der Diskriminierungserfahrung ziemlich spannend, irgendwie greift das ja so ein Stück weit das gesellschaftliche Bild von Queerness als ewiges Leiden auf, oder? Nur wenn du genug leidest, darfst du dich anschließen/bist du wirklich queer. Ich find das irgendwie falsch. Also nicht dein Gefühl, das kenne ich selbst auch, aber ich versuch da aktiv dran zu arbeiten, und queere Labels nicht davon abhängig zu machen ob ich „genug leide“.

Süßmaus: Den Punkt, dass Queerness nicht mit Leid gleichzusetzen ist, finde ich super wichtig. Das vergesse ich schnell, wenn es um mich selbst geht. Ich habe dieses gesellschaftliche Bild sehr verinnerlicht. Dabei ist es so wichtig, das aufzubrechen!

Jelly: Ich bin da eher bei dir, wenn‘s um das Empowern geht. Um das Verbindungen knüpfen durch Bezeichnungen. Gerade auch anzuerkennen, dass unter demselben Label ja immer noch ganz viele verschiedene Menschen mit komplett unterschiedlichen Erfahrungen zusammen kommen, die aber in einem Punkt zusammen kommen, find ich unnormal schön. Und auch den Aspekt der Selbstanerkennung. Das „zu sich stehen“ und das vielleicht sogar (auch wenn das natürlich kein Zwang ist) nach außen zu zeigen und damit anderen Menschen die Last des „nicht dazu Gehörens“ zu nehmen.

Süßmaus: Den Aspekt der Verbindungen finde ich total schön! Ich glaub auch, dass Labels dabei sehr helfen können. Manchmal fühle ich da aber auch eine Art Druck. Zum Beispiel wenn es um meine sexuelle Orientierung geht. Irgendwie fühlt es sich für mich oft so an als würde da kein Label so richtig passen, deshalb beschreibe ich meine sexuelle Orientierung meist einfach als queer. Aber wenn ich sehe, dass andere Leute Label wie lesbisch, bi oder pan verwenden, spüre ich so eine Sehnsucht nach Zugehörigkeit – ich will da auch zugehören, aber irgendwie sind es doch nicht so ganz die Worte, die mich beschreiben. Dafür tut es immer gut, wenn ich dann Leute treffe, denen es auch so geht, die auch überfordert sind von den Labels und obwohl es so viele gibt, scheint keins so richtig zu passen. Das gibt mir irgendwie Bestätigung. Wo wir dann ja auch wieder bei Verbindungen wären.

Jelly: Das kann ich so gut nachempfinden. Ich merke bei mir auch immer wieder wie ich von so allgemeineren Umbrella Terms zu spezifischeren Labels gehe, dann merke, die passen doch nicht so richtig und wieder bei den Überbegriffen lande. Für mich kommt der Druck da aber weniger aus mir selbst heraus, aus dem Wunsch nach einer kleineren noch besser passenden Gruppe von Menschen mit ähnlichen Erfahrungen, sondern oftmals geht es für mich um die Außenwirkung. Ich glaube dahinter steckt irgendwie so der Wunsch mit möglichst wenig Worten anderen begreiflich zu machen worum es geht. Das klappt in der Praxis allerdings nicht wirklich, wenn ich ehrlich bin. Und vielleicht ist das letztendlich auch gar nicht der Sinn von Labels.

Süßmaus: Mir geht es da ganz ähnlich! Ob dieser Druck da nur aus mir selbst heraus kommt, kann ich auch gar nicht einschätzen, weil meine Wünsche ja auch durch die Gesellschaft beeinflusst sind. Ich glaube aber auch, dass es in der Praxis mit Überbegriffen leichter ist, zumindest wenn wir uns Menschen mitteilen wollen, die in diesem ganzen Thema nicht so drin sind.

Jelly: Das ist tatsächlich auch die eine Sache, die mich sehr daran stört. Dass Labels nicht nur einschließen, sondern eben auch so eine klare Grenze implizieren. So: Es gibt die Asexuellen und die Allosexuellen zum Beispiel. Aber so klar sind die Grenzen ja niemals. Es ist ja alles immer irgendwie ein Spektrum. Und manchmal frage ich mich dann, ob diese immer kleiner werdenden Label, zum Beispiel auch Mikrolabel, nicht sehr leicht falsch verstanden werden können und dann zu so einem ganz weirden Zwang werden, alles bis ins kleinste Detail zu „sortieren“, sodass dann diese Fluidität, diese Offenheit und Freiheit – das was queer sein ja irgendwie (wenigstens für mich) ausmacht, verloren geht. Aber gleichzeitig ist da ja immer noch der Wunsch möglichst gleichgesinnte Personen zu finden. Ich find das ist ein richtig krasses Spannungsfeld.

Süßmaus: Der potentielle Ausschluss war auch ein Punkt, den ich noch im Kopf hatte! Ich denke zum Beispiel manchmal darüber nach, ob ich mich als „nonbinary lesbian“ bezeichnen möchte/kann/darf und dann muss ich an TERFs denken, die ja auch oft lesbisch sind und das ist natürlich sehr einschüchternd. Aber das ist natürlich ein recht spezifischer Fall.

Jelly: Mit den TERFS machst du aber auch ein sehr gutes Thema auf, nämlich die Frage wer darüber entscheidet, was ein Label bedeutet und wer es sich aneignen darf. Es gibt ja kein Komitee, das bestimmt, wer dazu gehört und wer nicht. Und, dass auch Personen mit den gleichen Labels teilweise sehr unterschiedliche Ansichten haben, zeigt sich ja auch immer wieder. Da ist dann die Frage, haben Labels überhaupt eine wirkliche Aussagekraft? Dann scheint es ja verschiedene Ansätze zu geben, das Problem zu lösen: mehr verschiedene Labels oder die Definition verändern, wie das jeweilige Label aussieht. Und irgendwie passiert beides gleichzeitig und dann ist bei manchen Labels komplett unklar, was eigentlich genau gemeint ist. Und das kann ja auch einfach gefährlich sein. Du denkst, du hast ein passendes Label gefunden, triffst dich mit einer Gruppe die dasselbe Label verwendet und plötzlich erfährst du Gewalt, weil diese Gruppe eine andere Definition im Kopf hatte und dich da nicht einschließt. Das ist furchtbar. Das ist dann das komplette Gegenteil von Gemeinschaft und Zugehörigkeit. Das heißt Labels können auch wirklich real gefährlich sein.

Süßmaus: Ja, die Veränderung von Labels finde ich besonders beim Bi Label eindrücklich, was ja meiner Meinung nach im Mainstream schon als „ich stehe auf genau 2 Geschlechter“ verstanden wird (das dachte ich früher auch) und vom Wortursprung her auch Sinn ergeben würde. Aber innerhalb der Community wird es meiner Meinung nach gar nicht mehr so verstanden, sondern als „mindestens zwei“ gesehen. Und ich habe das Gefühl, dass sich dadurch auch Dopplungen ergeben und sich manche Label halt eigentlich vom Inhalt her gar nicht so richtig unterscheiden. Aber dennoch kann sich ja eins der Label passend anfühlen und das andere nicht. Also für mich ist das auf jeden Fall oft auch ein Bauchgefühl-Ding.

Jelly: Ja absolut, aber das ist ja auch genau das Problem. Da kann jetzt eine Person sein, die sagt sie ist bi und meint, sie ist ausschließlich an Männern und Frauen interessiert. Und eine andere Person sagt sie ist Bi und meint die Anziehung zu genau zwei „Geschlechtern“ z.B. Frauen und nicht-binäre Personen und die dritte Person sagt sie ist Bi und meint, sie fühlt sich zu allen Geschlechtern hingezogen. Das Label hat dann irgendwie gar keine Aussagekraft mehr. Aber vielleicht ist das auch gut, weil es den Dialog wieder eröffnet. Es eben dazu anregt nicht einfach nur Labels rumzuwerfen, sondern die nur als Anhaltspunkt zu nehmen und dann darüber zu sprechen, was das für die jeweilige Person bedeutet.

Süßmaus: Den Dialog darüber zu eröffnen, wäre definitiv das beste Szenario finde ich! Dann finde ich es auch gar nicht schlimm, wenn unterschiedliche Dinge gemeint sind bzw. sind die Bedeutungen und Erfahrungen ja sicherlich eh nie identisch.

Süßmaus: Und ja, die Gefahr besteht durchaus. Neulich habe ich auf Instagram auch eine Person gesehen, die versucht hat, den SWERF-Begriff in seiner Bedeutung komplett umzukehren (das war so eine sexarbeitsfeindlicher Post und die Person war der Meinung, wir sollten jetzt Unterstützer*innen von Sexarbeitenden SWERFs nennen 🤦🏼). Wenn sowas sich halt in Subgruppen durchsetzt, kann das einfach fatal sein. Aber deren Hass an sich ist es natürlich auch schon.

Jelly: Ja, wobei ich SWERF oder TERF auch gar nicht (mehr) als Labels verstehen würde. Weil ich bin der Meinung Labels dürfen nur die Bezeichnungen sein, die Menschen sich selbst geben, und nicht etwas das anderen Menschen aufgedrückt wird. Aber auch spannend, TERF war ja mal ein Label, soweit ich weiß, das aus der Radikalfeminismus-Bewegung kam, um sich abzugrenzen. Und jetzt wird es nicht mehr als Label von den Personen selbst verwendet sondern nur noch als Marker von Außen drauf gesetzt.

Süßmaus: True, unter Labels verstehe ich eigentlich auch nur Selbstbezeichnungen, das war nicht so das beste Beispiel.

Jelly: Aber ja auch spannend, wie manche Labels abgelegt werden und dann nur noch als externe Bezeichnung existieren. Also ja dennoch ein sehr wichtiger Punkt.

Süßmaus: Generell macht es auch wieder Kategorien und Binaritäten auf, wie dein Beispiel auch sehr gut zeigt, und irgendwie ist es schon auch ein Wunsch von mir, das zu überkommen und nicht mehr so auf Labels angewiesen zu sein, weil wir irgendwie alle in erster Linie Mensch sind, mit unterschiedlichen Pronomen, Klamotten, Frisuren, aber das spielt in meiner Utopie dann halt nicht mehr so die große Rolle und wird einfach von allen respektiert. Aber damit sowas Realität werden kann, müsste es halt erstmal Gleichberechtigung geben und alle Unterdrückungsmechanismen müssten überwunden werden. Und bis dahin bleiben Labels und dieses starke Bedürfnis nach Verbundenheit mit Menschen, die Erfahrungen teilen, vorhanden. Also müssen nur kurz mal Revolution machen und schon brauchen wir vielleicht keine Labels mehr haha (wobei auch nach der Revolution ja die Vergangenheit nicht einfach ausgeblendet werden könnte und zur Beschreibung dieser Erfahrungen – eigene oder die der Vorfahren – wahrscheinlich weiter Labels wichtig wären).

Jelly: Revolution klingt richtig gut. Ich würde gern in deiner Utopie leben, wo die Labels einfach nicht mehr da sind, sondern jeder Mensch einfach ein Individuum ist. Allerdings frag ich mich, ob dann nicht doch wieder Labels aufkommen würden, um mit anderen zu bonden. Der Wunsch nach Verbindung und Austausch würde ja dennoch vermutlich aufkommen.

Jelly: Vielleicht müsste das Ziel auch sein, Labels nicht mehr als Schubladen zu betrachten, das seh‘ ich nämlich oft. Sondern mehr so als.. Wegmarkierung? So ein „hey, hier bin ich gerade, und du?“ So als wäre alles ein riesiges Netz und jede Kreuzung hat ein Label und wenn wir uns da treffen, tauschen wir uns aus, aber das bedeutet nicht, dass wir da bleiben müssen. Und das eben auf.. allen Ebenen 😀

Süßmaus: Ich finde die Idee voll schön!!

Wenn ich das jetzt wieder etwas auf die aktuelle Situation übertrage, merke ich aber schon, wie wichtig Label auch für mich sind, um auch gemeinsame Diskriminierungserfahrungen deutlich zu machen. Auch wenn es innerhalb der Gruppen Unterschiede gibt und Queerness =/= Leid, ist diese Markierung in der aktuellen Welt für mich einfach sehr relevant und halt auch ein verbindendes Element. Weil dann weiß ich, dass ich mich mit Personen, die bestimmte Label auch verwenden, darüber abkotzen kann, wenn das grad ein gemeinsames Bedürfnis ist und dass ich bestimmte negative Erfahrungen in gewissen Kreisen auch wahrscheinlich eher nicht machen muss. Und das ist auf jeden Fall ein Punkt wo „queer“ als Überbegriff dann für mich nicht reicht, weil auch unter cis Queers so viel Transfeindlichkeit reproduziert werden kann – in meiner Erfahrung eher aus Ignoranz, Nicht-Wissen, etc. als wirklich Bösartigkeit und Hass, aber das ist dann für mich halt kein safer Space.

Jelly: Ich fühl das total, und geht mir auch so, dass ich automatisch mehr Vertrauen und Zugehörigkeit und auch Sicherheit verspüre wenn Menschen zum Beispiel trans* sind (oder zumindest nicht cis). Allerdings hab ich in letzter Zeit auch unglaublich viel negative Erfahrungen damit gemacht. Weil eben leider Labels auch keine Garantie dafür sind, dass die Menschen diese Label genauso auffassen, und die Grundlagen genauso sehen. Stichwort: Transmedicalists. Und nur weil eine Person sich in einem Label widergefunden hat, heißt das ja nicht, dass die internalisierten Feindlichkeiten da direkt automatisch mit verschwinden. In meiner Erfahrung tut das sogar noch mehr weh, wenn Menschen unter dem eigenen Label dann verletzende Dinge tun oder sagen. Weil die Erwartungshaltung eine ganz andere ist.

Süßmaus: Uff ja, so Feindlichkeiten aus den eigenen Reihen finde ich auch ziemlich hart. Ich habe da zum Glück selbst noch nicht so viele negative Erfahrungen mit anderen trans* Personen gemacht, aber ich weiß natürlich, dass es die gibt. Und ich weiß ja auch, dass ich all diesen internalisierten Bullshit auch erst verlernen musste und immer noch muss. Und trotzdem habe ich oft diese implizite Annahme, dass es mit anderen trans* Personen besser ist, aber vielleicht liegt das auch an meiner Bubble und dass Menschen darin tendenziell politisch und reflektiert sind oder sich wenigstens darum bemühen!

Jelly: Ich denke auch so Labels als Orientierungspunkt, und Ausgangspunkt für nähere Auseinandersetzung ist vielleicht das Beste, was wir aktuell machen können.

Da sind wir dann auch wieder beim Orientierungspunkt, der zwar einen ersten Anhaltspunkt darstellen kann, aber nicht zwangsläufig dann immer das absolut Identische meint. Und die Wahrscheinlichkeit positive Erlebnisse und Gemeinschaft zu erfahren, ist ja dennoch sehr viel höher.

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