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Kostenübernahme Mastektomie

KOSTENÜBERNAHME MASTEKTOMIE: WAS BRAUCHE ICH UND KANN ICH DAS?

CN: institutionelle Transfeindlichkeit, misgendern/falsche Anrede, frei zitierte transfeindliche Aussagen der Kundenberaterin der Techniker Krankenkasse (TK)

Vor kurzem habe ich bei meiner Krankenkasse angerufen, um mich nach den benötigten Unterlagen für eine Kostenübernahme der Mastektomie zu erkundigen. Hier erfahrt ihr, wie es mir dabei erging und was ich jetzt mache.

Meine Mastektomieplanung

Ich wünsche mir schon länger eine Mastektomie. Aber irgendwie habe ich es immer wieder herausgeschoben, mich darum zu kümmern. Ich hoffte auf Veränderungen in den Leitlinien, mehr Klarheit… Wo fange ich überhaupt an? In der letzten Zeit ist meine Dysphorie jedoch immer stärker geworden. Also rief ich endlich in einer Klinik an, in der eine befreundete Person ein gutes Vorgespräch hatte. Die Person am Telefon war unglaublich freundlich und ich fühlte mich sehr wohl. Ich konnte in Erfahrung bringen, dass der Arzt auch Mastektomien ohne Nippel durchführt. Das tun längst nicht alle. Ich mochte meine Nippel noch nie wirklich und sie scheinen ein ausschlaggebender Faktor für meine Dysphorie zu sein. Also Zeit sie loszuwerden.

Die Klinik bezieht sich auf der Internetseite auch explizit auf nicht-binäre Personen. Die Sekretärin versicherte mir, dass der Arzt hilfreiche Briefe für die Kostenübernahme verfasste. Wenn ich selbst zahlen würde, würde die OP ca. 6.700€ kosten. Ich vereinbarte ein Vorgespräch für August 2022. Es gab leider keine früheren Termine. Die Wartezeit für die OP selbst würde dann jedoch nur noch etwa 2 Monate betragen. Für das Vorgespräch würde ich eine Überweisung aus der Gynäkologie, Psychiatrie o.Ä. benötigen.

Da ich immer wieder über die Einnahme von Testosteron nachdenke, machte ich mir vor einiger Zeit auch einen Termin bei einer Endokrinologin aus. Die Ärztin hat wohl Erfahrung mit Microdosing. Beim Microdosing werden Hormone (z.B. Testosteron, Östrogen) sehr gering dosiert, wodurch Veränderungen langsamer eintreten. Das ist für mich aktuell ein Option, da ich bei ungewünschten Veränderungen schneller einschreiten kann, indem ich die Hormone wieder absetze. Microdosing wird meiner Erfahrung nach häufiger von nicht-binären als binären trans* Personen in Anspruch genommen. Deshalb hoffe ich, dass die Endokrinologin auch nicht-binär-freundlich ist.

Im Zuge der ganzen benötigten bzw. geplanten Fachärztinnenbesuche, die oft mit langen Wartezeiten verknüpft sind, wollte ich die Termine auch zum Erhalt wichtiger Dokumente nutzen. Dazu musste ich aber erstmal rausfinden, was ich für eine mögliche Kostenübernahme von eben diesen Ärztinnen benötigen würde. Also kontaktierte ich meine Krankenkasse.

Das Telefonat mit der Krankenkasse

Ich wurde an einem Montagmorgen durch einen Rückruf der Krankenkasse aus dem Schlaf gerissen. Irgendwo in mir war der Gedanke, dass ich eine männliche Identität vorspielen sollte, um eine Kostenübernahme zu erlangen. Aber grad erst erwacht, lehnte ich die Anrede „Herr“ ab. Ich bestand auf Vor- und Nachnamen. Da mein Vorname weiblich konnotiert ist, war die Kundenberaterin irritiert und fragte, ob es sich dann nicht um Transgeschlechtlichkeit handele. Oder sind die divers? Ich erklärte der Kundenberaterin, dass sie nicht VOR, sondern NACH 12 anrufen sollte und wir legten auf.

Da ich im Halbschlaf meine transmännliche Performance bereits verkackt hatte, erklärte ich der Kundenberaterin im wachen Zustand dann, dass ich trans* nicht-binär sei. Das verstand sie gar nicht. Sowas hätten die da wohl nicht so oft. Weil alle lügen und so tun als wären sie binär trans*, um diese Maßnahmen von euch scheiß Institutionen übernommen zu bekommen, schrie es in mir. Es folgten Fragen, die einen Versuch des Verstehens meiner Identität darstellten. Also sind Sie dann männlich zu weiblich? Oder weiblich zu männlich? Oder wissen Sie noch nicht, ob Sie die ganze Gender-Angleichung machen wollen? Ich brach Nicht-Binarität so weit herunter, wie ich nur konnte: Ich bin weder männlich noch weiblich. Das verstand sie dann. Eigentlich gar nicht so schwierig, oder?

Sie stellte mir schon sehr viele Fragen: Wo ist die Mastek geplant? Sind noch weitere Maßnahmen geplant? Bin ich in Therapie? Warum bin ich in Therapie? Big uff.

Die Liste

Die Auflistung der benötigten Dokumente ihrerseits war sehr vage: alles, was eine Mastektomie indiziert. Ich bestand darauf, dies nochmal ausführlich schriftlich zu erhalten. Nach dem Telefonat ging es mir nicht gut. Dann kam der Brief mit der Auflistung benötigter Unterlagen auch schon in meine TK-App geflogen. Inklusive falscher Anrede natürlich. Danke für nichts. Danach ging es mir richtig scheiße.
Große Triggerwarnung für diesen Brief also. Und wichtige Info: Die Voraussetzungen unterscheiden sich je nach Krankenkasse. Einige Krankenkassen haben beispielsweise eine Mindestdosis an Testosteron, die eingenommen werden muss. Bei der TK ist das nicht der Fall.

Klar, ich wusste schon vorher, dass die Krankenkassen nicht unbedingt trans*freundlich sind, geschweige denn nicht-binäre Identitäten verstehen. Ich habe auch nicht geglaubt, dass ich nur 3x schnell hintereinander „Mastek“ sagen muss und schon ist mein Antrag genehmigt. Aber diese Auflistung fühlte sich dann doch nochmal wie ein Schlag ins Gesicht an. Wie sollte ich es schaffen, all diese Dokumente zusammen zu bekommen? Und bei all diesen Ärzt*innen gegebenenfalls so tun als wäre ich ein trans* Mann? Oder zu hoffen, dass sie in potentiellen Gutachten für mich lügen/Sachen anders darstellen? Ich hielt es ja nicht mal am Telefon (im Halbschlaf) aus, mit „Herr“ angesprochen zu werden. Immerhin wurde mir erst dadurch klar, WIE falsch sich auch diese Anrede für mich anfühlte.

Und weiter?

Ich hoffe, dass bis August dann vielleicht doch mal das Selbstbestimmungsgesetz absehbar ist. Und dass damit auch Änderungen in der Kostenübernahme geschlechtsangleichender Maßnahmen kommen. Aber selbst dann wäre es möglich, dass sich der Antragsprozess nicht allzu sehr ändern wird. Und der erscheint mir aktuell als absolut entwürdigend. Ich weiß nicht, ob ich ihn auf mich nehmen könnte oder würde, wenn ich dabei wenigstens ich selbst sein dürfte.

Sollte das Selbstbestimmungsgesetz noch immer auf sich warten lassen, werde ich die Mastektomie wohl selbst bezahlen. Ich habe mittlerweile von einer anderen Klinik gehört; dort kostet die Mastektomie ca. 5.500€. Vielleicht mache ich da auch mal ein Vorgespräch aus. Aber an der Entscheidung, selbst für den Eingriff zu zahlen, hängen auch noch andere Sachen: Was ist, wenn es Komplikationen gibt? Muss ich Kosten, die daraus entstehen auch selbst zahlen? Werde ich trotzdem krank geschrieben oder muss ich mir auf der Arbeit Urlaub nehmen? Diese Sachen gilt es, noch rauszufinden.

Ich wurde außerdem auf das FtM Portal aufmerksam gemacht. Dort gibt es Threads über Preise für Selbstzahlende, Bilder von Mastektomie-Ergebnissen und vieles mehr. Teilweise waren die genannten Preise noch deutlich niedriger. Die abgebildeten OP-Ergebnisse halfen mir persönlich jedoch leider nicht weiter. Die Ergebnisse von Ärzt*innen, die ich aktuell in Betracht ziehe, hatten alle Nippel.

Kliniken

Die Kliniken, die für mich aktuell relevant sind, liegen beide in der gleichen westdeutschen Stadt. Jetzt wo ich doch relativ sicher bin, die OP selbst zu zahlen, würde ich mich aber auch doch nochmal in Berlin umschauen. So spare ich wenigstens Reisekosten und muss nicht kurz nach meiner OP eine lange Zug- oder Autoreise auf mich nehmen.

Meine persönlichen Kriterien für die Klinik sind aktuell folgende:

  • führt Operation ohne Nippel durch
  • auch auf nicht-binäre Personen ausgelegt
  • Sympathie der ärztlichen Person und Gefühl im Krankenhaus
  • vegane Verpflegung
  • Preis
  • Entfernung

Tipps

Zum Abschluss noch ein paar Tipps meinerseits:

Wenn es dir möglich erscheint, gib dich als trans* Mann (oder mindestens transmaskulin) aus. Dazu gehört meines Wissens nach leider auch das Erfüllen klischeehafter Rollenbilder. Eine Person meinte vor kurzem mal, dass sie das auch politisch schwierig fände. Die Person will in ihrer Identität anerkannt werden und sollte als nicht-binäre Person ebenso ein Recht auf die OP haben. Das ist auch ein Punkt, der mich immer wieder beschäftigt. Aber aktuell müssen wir uns leider noch durchmogeln, um zu bekommen, was uns zustehen sollte. Wenn du also eine Kostenübernahme anstrebst, scheint das aktuell die einzige Möglichkeit zu sein. Für mich erscheint das momentan aber leider einfach nicht machbar. Ich habe das Gefühl, ich schaffe das nicht.

Wenn du die finanziellen Möglichkeiten hast und dich diesem potentiell erniedrigendem Prozess nicht aussetzen willst, zahl die Operation selbst. Operationen in anderen Ländern z.B. Ungarn, Argentinien können deutlich günstiger sein. Vielleicht ist das für dich eine relevante Option. Nichtsdestotrotz ist es natürlich ein krasses Privileg (und Unding!), benötigte Operationen selbst zu zahlen. Viele Personen starten auch Crowdfundings oder Ähnliches. Wenn du das ebenfalls tust, kannst du uns schreiben und wir verlinken deinen Spendenpool auf unserer Spenden-Seite. Und falls du selbst Geld übrig hast, überlege doch, etwas dazulassen.

Eine andere Option könnte es sein, zu warten. Aber leider weiß niemand von uns so genau, wann sich die Gesetze und Leitlinien endlich ändern werden.

geschlechtsangleichende Maßnahmen sind keine Voraussetzung für das Trans*-Label!

Denk immer dran: Nicht alle Personen haben die Möglichkeit, geschlechtsangleichende Maßnahmen durchführen zu lassen. Und auch trans* Personen, die keine körperlichen Veränderungen anstreben, sind valide! Hormone und Operationen machen uns nicht mehr oder weniger trans*. Aber für viele sind sie (überlebens-)wichtig. Und es wird verdammt nochmal Zeit, dass das endlich anerkannt wird und die Kosten vom Gesundheitssystem getragen werden. Für alle trans* Personen.

Hast du selbst Tipps? Schreib einen Kommentar!

2 Gedanken zu „Kostenübernahme Mastektomie“

  1. Danke für den Beitrag
    Schaue mich gerade noch mal um wegen einer mastektomie, ich hatte eine Brustverkleinerung und habe meinen ausdrücklichen Wunsch geäußert, so klein wie möglich zu machen. Rein in die OP mit 75H und raus mit 75D-E…
    Noch mal danke für deinen Bericht.

  2. Hey, herzlichen Dank, dass du diesen besch***enen Brief von der TK mit uns teilst! Das hat mir eben sehr geholfen, meinen Antrag so zu gestalten, dass ich eine Chance habe, dass er durchkommt (mit 2,5 Jahren Vorbereitung & binärem Privileg – naja, binär genug…)

    Meine Tipps:

    Alles wo „bitte“ steht ist rechtlich betrachtet optional. Das wird von der Form des Briefs überdeckt, aber die dürfen das nicht verlangen, und wissen es auch, sonst würden sie ja nicht nett „bitte“ sagen.
    Niemand ist verpflichtet, den persönlichen Werdegang einer fremden, transfeindlichen Bürokratie in einem Antragsschreiben zu erzählen – schreibt da nur so viel, wie ihr sagen wollt.
    Es ist immer noch eine richtig miese Lage, und nach den ersten Reaktionen aufs Selbstbestimmungsgesetz ist meine Hoffnung sehr gering, dass es bis 2025 zu Reformen beim Zugang zu OPs kommt. Aber zumindest braucht ihr euch hier um den rechtlichen Kram keine Gedanken zu machen, denn Nachweise zur VÄ/PÄ können die nicht verlangen, weil die für die Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit irrelevant sind, und das inzwischen auch rechtlich anerkannt ist.

    Falls ihr Hormontherapie & Mastek wollt, vereinbart einen Termin in der Endokrinologie (3-6 Monate Wartezeit), sobald ihr eure fünf probatorischen Therapiesitzungen abgeschlossen habt und sicher seid, dass ihr bei dieser Therapie bleibt. 6 Monate Therapie braucht ihr für die Indikation zur Hormontherapie. Vereinbart dann direkt eure OP-Vorgespräche (3-6 Monate Wartezeit) für die „somatisch-ärztliche Indikationsstellung“ in ca. 1 Jahr – absagen könnt ihr immer noch. Für OP-Vorgespräch & -Antrag setzen Mediziner*innen, falls Hormontherapie gewünscht ist, minimal 6 Monate Hormontherapie voraus, empfohlen ist 1 Jahr. (Diese Vorgabe macht ausnahmsweise Sinn, denn es geht um die langsame Umverteilung von Gewebe und die Veränderung des ästhetischen Ergebnis; bei Microdosing sind die Zeiträume vmtl. länger.)
    Nach dem Vorgespräch habt ihr alles für den Antrag. Dann braucht die Krankenkasse 1,5 Monate, die Klinik 2-6 Monate, und nach der OP seid ihr mindestens 2 Monate stark beeinträchtigt. Es sind einfach 2 Jahre Minimum „in der Schwebe“, und wenn irgendetwas länger dauert, oder ihr mehr Zeit für euch braucht, sind es schnell 3-5 Jahre. Unterschätzt das nicht.

    Liebe enbys, ich wünsche euch sehr viel Mut und Kraft und Durchhaltevermögen. Vielen vielen Dank für diesen Blog!

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