Zum Inhalt springen
Startseite » Blog » Alien Boys Outing-Quest

Alien Boys Outing-Quest

WIE ICH NACH UND NACH MEIN OUTING GEMEISTERT HABE

CN: Misgendern

Manche Personen können es kaum erwarten ihre neu entdeckte Geschlechtsidentität mit anderen Personen zu teilen und andere brauchen lange für ihr Outing. Ich habe mich Step by Step als nicht-binär geoutet, wobei für mich jede Quest einen anderen Schwierigkeitsgrad hatte. Wie diese Quests gelaufen sind, erzähle ich euch hier.

Sich gegenüber Vertrauten zu outen, ist leichter als vor fremden Menschen oder Bekannten, deren Einstellung zu LGBTQIA*-Rechten (Rechte von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans*, queeren, intersexuellen und asexuellen Menschen) eventuell nicht eindeutig von außen abzuschätzen ist. Dachte ich jedenfalls. Tatsächlich war es bei mir andersherum. Dass ich anfing meine Geschlechtsidentität zu hinterfragen, wusste vor meinem ersten Outing eigentlich nur eine meiner damaligen Beziehungspersonen. Dort fand ich sicheren Rückhalt, da die Person pansexuell ist und ich mir keine Sorgen machen musste, dass sich mit der Offenbarung meines Geschlechts irgendetwas zwischen uns ändern würde.

Erstes Outing auf Dating Apps

Outing in Dating Apps
Bild: @unsplash | Pratik Gupta

Nachdem mir klar wurde, dass ich nicht-binär bin, stellte ich mir die Frage, ob ich einen neuen Namen wählen möchte und wie ich angesprochen werden will. Hier musste ich tatsächlich nicht lange überlegen. Einen Namen wusste ich sofort und Pronomen fanden sich auch schnell. Was mich eher beschäftigte, waren die Konfrontationen auf die ich mich vorbereiten musste. Diskussionen, Erklärungen, Ablehnungen, die da auf mich warten könnten. Dann also erstmal vorsichtig starten. Mir war klar, dass ich den Namen erst einmal testen wollte, um zu schauen, wie er sich anfühlt. Am sichersten fühlte ich mich damit vor Menschen, die gar nicht wussten, dass ich vorher einen anderen hatte – fremde Menschen. Also änderte ich meinen Namen und meine Geschlechtsbezeichnung auf nicht-binär in meinen Profilen auf Dating-Apps. Und was soll ich sagen? Es fühlte sich fantastisch an dort meinen Namen zu lesen, vor allem wenn Menschen mich damit begrüßten. Erste Quest geschafft! Also war mir klar, dass es ernst werden würde und ich erst am Anfang meines Weges stand.

Outing in digitaler Form

Nächste Quest: Outing vor Personen, die ich kenne. Hab ich erwähnt, dass ich Angst vor Konfrontationen habe? Schaffe ich das trotzdem? Kann ich mich Fragen über mein Geschlecht stellen und eventuell auch mit Reaktionen umgehen, die nicht positiv sind? Zu viele Ängste sammelten sich da in mir. Wir kennen doch alle die Horrorgeschichten über schmerzhafte Outings oder? Meine Lösung: Wieso nicht die Kommunikationsform wählen, mit der ich mich am sichersten fühle? Also schrieb ich. Zuerst schrieb ich einen Instagram-Post. Dort fand ich meine digitale Schutzmauer und konnte mir genau überlegen, was ich sagen möchte und auf welche Fragen und Reaktionen ich eingehen will und wie ich diese bewältigen kann – ganz in Ruhe im Beisein meiner Beziehungsperson. Kurz vor Jahresende 2018 postete ich unter dem Hashtag #nonbinary meinen Namen und meine Pronomen. Und alles was kam, waren Glückwünsche. Keine Fragen, keine Diskussionen oder Ablehnung. Freund*innen, Bekannte, Fremde – alle reagierten wertschätzend und mit so so vielen Herz-Emojis! Ich war sehr dankbar und erfüllt am Ende dieser erfolgreichen zweiten Quest.

Outing am Arbeitsplatz

Outing am Arbeitsplatz
Bild: @unsplash | Annie Spratt

Nächste Schwierigkeitsstufe! Diese Quest ist wohl für die meisten trans* Personen am schwierigsten. Das Outing am Arbeitsplatz bringt einige Risiken mit sich. Nicht nur kann es im Härtefall bedeuten den Arbeitsplatz zu verlieren (auch wenn es in Deutschland nicht erlaubt ist, Menschen wegen ihres Geschlechts zu entlassen), sondern die eigene mentale Gesundheit zu gefährden, wenn mensch sich beinahe täglich bei der Arbeit mit Anfeindungen oder Ignoranz auseinander setzen muss. Dennoch war mir klar, dass kein Weg daran vorbei führt. Ich habe mich nicht in der Lage gefühlt meine Geschlechtsidentität zu verheimlichen. Zusätzlich sind unter meinen Instagram Followis eben auch Arbeitskolleg*innen. Und ähnlich wie dort habe ich mich ebenso der schriftlichen Kommunikation bedient. Ich schrieb nach dem Jahreswechsel zu 2019 ein Statement über einen firmenweit zugänglichen Slack Channel (Messenger Dienst für Unternehmen) und erklärte meine Geschlechtsidentität, teilte meinen neuen Namen und Pronomen und bat um die Änderung meiner Kontaktdaten. Da es im Unternehmen eine Diversity Arbeitsgruppe gibt, fühlte ich mich trotz Unsicherheiten zumindest in diesem Kreis geschützt und hatte Ansprechpersonen, falls etwas schief laufen sollte.

Als ich senden klickte, arbeitete ich im Homeoffice, sodass ich mich wieder hinter meiner digitalen Mauer verstecken konnte. Alle Kolleg*innen, die auf mein Statement reagierten, bedankten sich für meine Offenheit und freuten sich. Ich war unglaublich erleichtert als auch direkt meine Kollegin von der Personalabteilung schrieb, dass sie meine Daten direkt schon geändert hat und alles weitere in die Wege leitet. Keine Diskussionen, Fragen oder Ablehnung. Wow! Die richtige Quest folgte natürlich erst als ich wieder im Büro arbeitete. Mein Team war fantastisch! Alle benutzten meinen Namen, gaben ihr bestes keine weiblichen Pronomen zu benutzen und korrigierten sich gegenseitig. Dennoch gab es Meetings, in denen mich cis männliche Personen misgendert haben. Natürlich auch mein Chef. In einer Nachricht konnte ich ihn jedoch noch einmal darauf hinweisen, dass er meinen Namen verwenden solle, statt geschlechtsspezifische Pronomen. Auch diese Quest hatte ich also ohne Schäden überstanden. Ich bin mir bewusst, was für ein großes Glück ich dabei hatte. Die schwierigste Aufgabe stand mir jedoch noch bevor

Endboss – Das Outing bei meinen Eltern

Diese Quest hatte für mich den größten Schwierigkeitsgrad und ist auch heute noch etwas, was mich immer noch beschäftigt. Ihr müsst wissen, dass meine Eltern relativ weit entfernt von mir leben und beide nach ihrer Scheidung neue Beziehungen führen. Ich musste mich also jeweils bei beiden meiner Elternteile outen. Und natürlich tat ich das nicht persönlich. Ich ließ mir eine ganze Menge Zeit, bevor ich diese Quest antrat. Denn ich wusste, dass das hier die Endgegner*innen auf mich lauern.

Das Verhältnis zu meinen Eltern ist nicht das beste, sie wissen und verstehen wenig von meinem Lebensstil. Ich habe einige Kindheitstraumata und heute weder zu meiner Mutter, noch zu meinem Vater Kontakt. Damals war das noch anders und auch diesmal griff ich wieder zum Handy und schrieb Nachrichten an meine Eltern. Zuerst an meine Mutter. Ich dachte, sie wäre offener für ungewohntere Umstände als mein Vater. Falsch gedacht! Meine Mutter antwortete in ihrer Nachricht mit Unverständnis und sagte, sie sei sich nicht sicher, ob sie sich mit meinem neuen Namen anfreunden könne, schließlich sei ich doch ihre Tochter gewesen. Autsch! Das hatte gesessen. Am Ende des Gesprächs tröstete sie mich jedoch mit ihrer Standardphrase: „Hauptsache du bist glücklich.“ Nagut, dachte ich. Wenigstens wurde ich nicht verstoßen. Also war dann mein Vater dran.

Copy & paste – mein Vater bekam die selbe Outing-Nachricht wie meine Mutter. Zu meiner Überraschung schrieb er: „Egal welches Geschlecht, du bist mein Kind.” Ich weinte vor Erleichterung, da ich tatsächlich andere Aussagen von ihm gewohnt war. Auch als ich von meiner Mastektomie (Entfernung der Brüste) berichtete, drückte er keinerlei Skepsis aus.

Leider zu früh gefreut! Monate später, als ich ihm mitteilte, dass meiner Namens- und Personenstandsänderung (Änderung des Geschlechtseintrags im Geburtenregister) zugestimmt wurde, begegnete er mir mit Stille. Ich konfrontiere ihn damit und bekam genau die Nachricht vor der ich Angst hatte. Er machte mir Vorwürfe, trauerte um seine Tochter, um seine enttäuschten Erwartungen und nahm keinerlei Rücksicht auf meine Gefühle. Mir ist heute bewusst, dass aus ihm große Unsicherheiten und Überforderung sprach. Ich wünschte er hätte diese in Fragen verpacken und mit mir gemeinsam überwinden können. Zur richtigen Zeit werde ich ihn dort noch einmal abholen – vorerst bleibt er damit erst einmal alleine stehen. Endboss besiegt? Eher nicht. Trotzdem habe ich die Quest erledigt, wenn auch nicht unbeschadet überstanden.

Haupt-Quests abgeschlossen

Diese Quests waren verdammt hart. Aber ich bin stolz darauf, mich ihnen gestellt zu haben und dabei lernen konnte besser für mich und meine Grenzen und Bedürfnisse einzustehen. Gerade als nicht-binäre Person gehören Outings eigentlich schon fast zum Alltag. Denn gerne wird von unserem Äußeren auf unser Geschlecht geschlossen und das passt für cis Menschen meist leider nicht zueinander (das ist natürlich Quatsch). Also müssen wir uns öfter erklären. Für mich sind das aber nur noch kleine Side-Quests und keine Haupt-Quests mehr. Ich kann allen Personen mit sozialen Angststörungen empfehlen ihr Outing schriftlich zu vermitteln. Mir hat das sehr geholfen. Falls du bei deinem Outing Unterstützung brauchst, kannst du auch die Vorlagen für Briefe und Flyer benutzen, die Süßmaus euch hier zur Verfügung stellt.

Was denkst du?

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner